Zukunft macht Angst
Wer das Jammern satt hat, entwickelt eigene Zukunftsperspektiven, die die Angst nehmen. |
Deutschland hat Angst um seine Zukunft. Wie gehen wir mit dieser Angst um?
• Das einfache Volk jammert und wehklagt.
• Die Journalisten und Experten machen Panik (Stichwort Vogelgrippe, Gesundheit).
• Die Manager in den Unternehmen pflegen einen atemberaubenden Aktionismus.
Das alles sind beliebte Methoden, mit der eigenen Angst umzugehen. Wie tauglich sind sie?
Wer jammert, hört sich nicht zu
Herausragendes Symptom der grassierenden Zukunftsangst ist die verbreitete Jammerei. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen zu, die mir sagen: „Ich habe das allseitige Wehklagen so satt!“ Dieses Sättigungsgefühl hat eigentlich jeder. Wer jedoch zu jenen Menschen zählt, die dieses Gefühl ernst nehmen, ist schon auf dem besten Weg aus dem Jammertal heraus: Wer das Jammern satt hat, entwickelt eigene Zukunftsperspekti-ven, die die Angst nehmen.
Happy Hektiker
Während es das Privileg des einfachen Mannes ist, auf Zukunftsangst mit Jammern zu reagieren, können Führungskräfte sich diesen Luxus nicht leisten. Wer als Manager jammert, kann gleich seinen Hut nehmen. Manager reagieren auf Bedrohungen mit hektischem Aktionismus. Weil das was bringt? Nein, weil das was brachte. Hektik wird vom limbischen System getriggert, das sich bei einem Angriff eines Säbelzahntigers in Sekundenbruchteilen zwischen Angriff (Hektik) und Flucht (Jammern) entscheiden musste. Kennzeichen der heutigen Bedrohungen ist jedoch, dass sie keine Säbelzahntiger sind, also icht binnen Sekunden ablaufen. Sondern binnen Wochen, Monaten oder gar Jahren. Unsere Rente ist nicht in den nächsten fünf Sekunden bedroht, sondern erst in zwanzig Jahren. Trotzdem macht das limbische System Hektik, weil es die Rente – in Maßstäben der Evolution gemessen – erst seit Sekunden gibt, das limbische System aber seit Zehntausenden von Jahren. Das heißt nicht, dass wir unserem Reptilienhirn auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Beim Mensch ist im Gegensatz zum Tier zwischen Stimulus und Reaktion noch ein sehr leistungsfähiger Verstand angesiedelt. Benutzen Sie ihn:
1) Hinsetzen, nachdenken!
Wenn eine moderne Bedrohung Sie trifft, sollten Sie ganz bewusst die Einflüsterungen des limbischen Systems ignorieren und sich auf Ihren gesunden Menschenverstand konzentrieren. Verkneifen Sie es sich mit Macht, auf die Bedrohung spontan, das heißt un-überlegt, hektisch und aktionistisch zu reagieren. Moderne Bedrohungen wollen wohl überlegt sein. Werden Sie sich erst einmal klar über Ihre Situation: Was bedroht mich konkret? In welcher Weise? Mit welchen Folgen? Wie hoch sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten? Was passt mir nicht? Setzen Sie sich auf den Hosenboden und knobeln Sie es aus. Am besten mit Papier und Stift oder am PC. Was man schwarz auf weiß besitzt, …
2) Hören Sie auf, mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen!
Wenn wir in Seminaren die Frage stellen „Was passt mir nicht? Was bedroht mich?“, sind häufige Antworten: „Unsere Zielvorgaben sind nicht zu schaffen!“, „Was der Chef von uns will, das haut einfach nicht hin!“, „Die können doch nicht eine ganze Abteilung wegrationalisieren!“ Fällt Ihnen an diesen Bedrohungen etwas auf? Stimmt, diese Äußerungen bezeichnen allesamt unabänderliche Tatsachen: Zielvorgaben, Entlassungen, Projekte. Zugegeben, es ist lästig, wenn sich auf einer Bergwanderung vor mir eine 500 Meter hohe Felswand auftürmt. Doch mit Aussagen wie „Diese Wand ist nicht zu schaffen!“ komme ich buchstäblich keinen Schritt weiter. Wie viel Energie dabei draufgeht, sich über Unabänderliches aufzuregen! Wenn nur die Hälfte dieser Energie in die Problemlösung gesteckt würde, wären viele Probleme schon gelöst. Wie nutzen Sie Ihre Energie sinnvoller? Indem Sie sich fragen: Was kann ich ändern? Und was nicht? Je schneller Sie das Unabänderliche erkennen und als gegeben akzeptieren, desto schneller können Sie das Änderliche ändern. Sich auf das Machbare zu konzentrieren, hat zur Überraschung mancher schon viele „unüberwindlichen“ Probleme gelöst. Es ist eine menschliche Neigung, mit dem Schicksal zu hadern und sich über Dinge aufzuregen, die man nicht ändern kann. Doch niemand verurteilt Sie dazu, dieser Neigung auch zu folgen. Wer soll über Ihr Leben entscheiden? Eine blinde Neigung oder Ihr wacher Verstand?
3) Was passiert, wenn nichts passiert?
Wenn Sie auf eine moderne Bedrohung hin den Impuls verspüren, sofort etwas zu unternehmen, widerstehen Sie diesem Impuls. Hektik hilft nur Narren. Erstellen Sie zuerst einmal ein Null-Szenario: Was würde passieren, wenn Sie die Hände in den Schoß legen? Bis zu dreißig Prozent der Bedrohungen erledigen sich durch diese simple Frage. Fast ein Drittel der Bedrohungen können Sie tatsächlich aussitzen – weil Ihre Simulation gezeigt hat, dass die Folgen der Untätigkeit vernachlässigbar sind. Viele Probleme erle-digen sich von alleine. Gut, wer erkennt, welche das sind.
4) Wohin wollen Sie?
Die meisten Menschen wissen sehr genau, was sie bedroht, was ihnen nicht passt. Sie können sich auch herrlich darüber aufregen. Manchmal erzählen mir Coachees minutenlang in allen Details, was sie alles an ihrem Chef aufregt. Wenn ich sie dann frage, wie sie sich stattdessen die Zusammenarbeit mit ihrem Chef vorstellen, herrscht nachdenkli-ches Schweigen. Es reicht nicht, den (M)Istzustand zu kennen! Sie sollten auch eine Vorstellung davon haben, wohin Sie überhaupt möchten. Diese Vorstellung werden Sie umso eher erreichen,
• je eher sie in Ihrem Einflussbereich liegt. Es nützt zum Beispiel nichts, wenn Sie sich wünschen, dass der Chef sich ändert. Wünschen Sie sich lieber etwas, dass Sie selbst ändern können, zum Beispiel Ihre Reaktion auf die Übergriffe vom Chef.
• je größer die Sogwirkung Ihres Zieles ist. Oft sagen mir Menschen: „Ich muss das Rauchen aufgeben!“ Klappt das? Selten. Andere sagen mir: „Ich möchte aufhören, zu rauchen.“ Klappt das? Viel eher. Warum? Weil hinter der zweiten Zielformulierung mehr Mumm, mehr Sog steckt. Peppen Sie Ihre Ziele so auf, dass sie eine für Sie ausreichende Sogwirkung entwickeln!
• je konkreter, präziser und verbindlicher Sie Ihre Vorstellungen formulieren. Die Zielvorstellungen der meisten Menschen sind sehr schwammig, nebulös, abstrakt. Kein Wunder, dass die Verwirklichung auf sich warten lässt.
• je mehr Herzblut in Ihren Wünschen steckt. Dinge, die wir „eigentlich schon lange“ machen sollten, schieben wir auch deshalb so lange vor uns her, weil kein Herzblut darin steckt. Diese Sollte-Wünsche sind notorisch umsetzungsschwach, weil sie nicht die Bohne motivieren. Was müsste bei der Überwindung einer Bedrohung für Sie he-rauskommen, damit Sie sich voll reinknien? Diese Frage liefert jede Menge Motivation.
Weil es sich lohnt
Sind Ihre Ziele klar, können Sie passende Maßnahmen daraus ableiten – und loslegen. Wenn Ihnen also bei der nächsten Bedrohung das Herz in die Hose zu rutschen droht, wissen Sie, was zu tun ist. Stimmt, das alles kostet ungleich mehr Aufwand als dumme Sprüche für bare Münze zu nehmen wie: „Das Kind werden wir auch noch schaukeln!“ oder „Alles wird gut!“ Man muss sich schon einige Minuten Zeit und Muse nehmen, um eine Bedrohung zu analysieren, das Unabänderliche vom Änderbaren zu unterscheiden und seine Ziele auszuarbeiten. Doch danach werden Sie erfreut feststellen: Sie haben Ihr Leben wieder im Griff. Sie haben es selbst in der Hand. Sie sind nicht länger Treibholz in den Fängen der Gezeiten, sondern Kapitän auf dem eigenen Schiff.
Und allein für dieses gute Gefühl lohnen sich die paar Minuten Sitzfleisch. Meinen Sie nicht auch? Ja? Nein? Was immer Ihre Meinung ist: Reden wir darüber. Wie immer freue ich mich über jede Rückmeldung (feedback@woelkner.de).
Ihr Matthias Wölkner
http://www.woelkner.de